Bernie





Tja, neues Design, neues Glück habe ich mir gedacht und begonnen, meine Website zu überarbeiten. Es musste viel getan werden. So begann ich seelenruhig neue Infos zu schreiben und ein wenig an der Grafik zu basteln ... plötzlich war er da!

Vom Bildschirm strahlen mich zwei freche Augen an. Ich dachte mir nichts weiter und gab diesen Augen eine Frisur und - was sich noch als großer Fehler herausstellen sollte, einen Mund.

Vielleicht lag es ja an der Überdosis Kaffee oder ich habe zu viel in meinen Bücher gestöbert, jedenfalls glaubte ich meinen Ohren nicht zu trauen.
"Soll ich bei dieser Kälte hier weiter nackt herumstehen?"
Vorsichtig schaute ich mich um. Es war niemand da!

"Das ist ja schon Erregung öffentlichen Ärgernisses, mich hier so nackt in der Weltgeschichte rumstehen zu lassen."
Ich war perplex. Dieses kleine eben noch strahlende Gesichtchen pöbelte mich vom Bildschirm her an. Ich hatte gerade keine Lust mich mit dem Begriff "öffentlich" in Bezug auf einen Bildschirm in einer Ein-Mann-Kanzlei auseinanderzusetzen, aber irgendwie juckte es mich doch:

"Wenn hier schon von Ärgernis die Rede sein soll, dann frag ich mich, ob es nicht viel ärgerlicher ist, vom eigenen Rechner beschimpft zu werden?"
"Rechner???" frotzelte das Gesichtchen zurück "Der ist dumm wie ein Bleistift. Wenn man dem nicht sagt, was er zu tun hat, säh man nur einen schwarzen Bildschirm und wenn sein Horizont erreicht ist, gibt er den Löffel ab. So einer könnte niemals schimpfen, auch wenn er wollte."

Wo er recht hat, hat er recht, dachte ich mir und wurde langsam neugierig:
"Mit wem habe ich dann also das Vergnügen?" versuchte ich höflich zu sein.
"Ohne was zum Anziehen, sage ich kein Wort mehr!" maulte die zweidimensionale Kreatur.

Ich gab mich geschlagen. Es passiert einem nicht jeden Tag, dass ein paar Striche auf dem Bildschirm ein Eigenleben entfalten. So überlegte ich, was zu ihm passen könnte. Ich zeichnete ihm eine Latzhose. Gerade, als ich diese mit wunderschönen Karos verzieren wollte prustete mein Pixelfreund los.
"Das Ding trage ich niemals!" Stellte er entschieden fest.
"Aber es ist was zum Anziehen" konterte ich.
"Ja in den schottischen Highlands sehr praktisch, aber ich bin ein Karrieremensch."
Ich verkniff es mir zu fragen, wie er auf "Mensch" kam und überlegte angestrengt.

Karriere ... mhmmm! Kurz entschlossen giff ich zur Maus und begann eine Krawatte zu zeichnen. Als diese fertig war, begann mein neuer kleiner Freund zu jubeln."Das war es, was ich mir immer vorgestellt habe!"

Etwas verwundert, dass er sich mit so einem minimalen Kleidungsstück zufrieden gab, ließ ich ihm die Freude. Streng genommen gab es ja auch nichts, was er mit Kleidung hätte verbergen müssen. Es war ja weiter nichts da!

Nun wollte ich aber doch wissen, welchem schweren Ausnahmefehler ich diese Begegnung zu verdanken hatte und fragte gerade heraus: "Wer oder was bist Du eigentlich?"
"Sie, bitte!"
"Was?" fragte ich und überlegte, welche Art von Fehlermeldung "Siebitte" hieß.
"Ich kann mich nicht erinnern, ihnen das Du angeboten zu haben, aber gestatten sie, das ich mich vorstelle. Ich bin Bernie, binärer zweidimensionaler Kanzleikobold, wohnhaft in bernie.exe. Das Verzeichnis verrate ich aus Datenschutzgründen nicht."
"Sie haben wohl Angst, dass ich sie lösche?!" meinte ich überlegen und bereute es gleich wieder.

"Löschen können Sie mich nicht, aber wenn der Rechner das nächste mal abstürzt, fühlen sie sich von mir gegrüßt."
"Ist ja schon gut" versuchte ich zu besänftigen "Was mache ich denn nun mit einem Kanzleikobold?".

Bernie zog die Augenbrauen hoch und legte nun seinerseits ein überlegenes Grinsen an den Tag. Mir schwante nichts gutes.
"Ich will berühmt werden!".
"Na wenns weiter nichts ist", meinte ich gelassen "wie wärs mit dem ersten Festplattenkobold, der mit format C gekillt wurde ... Stop, stop, stop ich habs ja nicht so gemeint." tröstete ich meinen kleinen Unterhalter, der kurz davor war ein paar digitale Tränen zu vergießen. "Ich werd Dich schon nicht löschen. So etwas ist viel zu selten!"

"Ich wollte doch nur" schluchzte Bernie, der sich nur langsam wieder fing,"ich wollte doch nur auf die Gebührenwebsite"
"Wie bitte?"Jetzt war ich dran die Fassung zu verlieren "Wo hat man denn sowas schon gehört? Eine Comicfigur auf einer Site, die sich mit ernsten juristischen Themen befasst?"
"Ja" jubelte das binäre Wesen "einmal 1.0 sein!" Auch wenn ich von diesem Grundsatz der IT-Branche nicht allzuviel halte ... da war was dran. Ich war breitgeschlagen. Außerdem war mir ein jubelnder Kanzleikobold wesentlich lieber als ein schluchzender.

"Und wie willst du auf der Website aussehen?"

"So!" Er zeigte mir sein harmlosestes Gesicht.
"Das was ich hier mache ist aber nicht immer so harmlos" machte ich mich lustig.
"Dann mache ich eben zu allem, was auf der Seite passiert das passende Gesicht"

Und so kam es, dass Bernie diese Website mit seiner Meinung nach ernster und seriöser Miene begleitet.

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Der juristische Konjunktiv
Soo viele Gesetze
Fachchinesisch
Anwälte und Nachbarschaftsstreits

Thema: Rechtsanwaltsgebühren